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Belastende Diagnose: zwischen Erschütterung und Entlastung

27. Februar 2015
Zum nationalen "Tag der Kranken" vom Sonntag, 1. März 2015


Belastende Diagnose: zwischen Erschütterung und Entlastung

Der "Tag der Kranken" hat seinen festen Platz im Jahresgeschehen der Schweiz. Tausende Personen beteiligen sich an diesem Tag mit Konzerten, mit Besuchs- und Geschenkaktionen in Spitälern und Heimen sowie mit Predigten und Solidaritätsveranstaltungen. 2015 ist der "Tag der Kranken" dem Thema "belastende Diagnosen" gewidmet. Den Betroffenen aber auch ihrem Umfeld soll aufgezeigt werden, welche Wege es gibt, mit solchen Diagnosen umzugehen - auch bei schweren oder sogar unheilbaren Erkrankungen.

Belastende Diagnosen erschüttern, können aber auch entlasten

Leben ist nie etwas Statisches, Leben ist immer im Fluss sein. So lange der Fluss einigermassen vorhersehbar ist - also der nächste Schritt steuerbar - kommen wir in der Regel gut damit zurecht. Aber was passiert, wenn uns ein Ereignis aus heiterem Himmel trifft? Jeder reagiert anders und darum ist kaum vorhersehbar, wie jemand mit der neuen Situation umgeht.

Die Konfrontation mit einer belastenden Diagnose wie etwa Krebs oder HIV führt meist zu einer gewaltigen Erschütterung oder gar zu einem Schock. Dabei spielt es gar keine Rolle, welcher Art die Diagnose ist. Ganz gleich ob wir von einer Demenz-Erkrankung, chronisch verlaufenden Erkrankung wie Multiple Sklerose oder Parkinson sprechen. Die erste Reaktion ist häufig ähnlich. Auch bei einem schweren Unfall, einem Hirnschlag oder einem Herzinfarkt kommt es zu seelischen Erschütterungen. Eine belastende Diagnose kann dazu führen, dass alles im Leben in Frage gestellt wird und nur noch Angst da ist. Vor lauter drängenden, ungelösten Fragen brummt der Kopf. Wir sind unfähig, irgendeine Ordnung ins Chaos zu bringen

Wege aus der Ohnmacht und Hilflosigkeit

Sich mit einer schwerwiegenden Diagnose auseinanderzusetzen braucht Zeit. Dass am Anfang eines solchen Prozesses Angst dominiert, ist menschlich. Es dauert, bis man in der Lage ist, der neuen, unerwarteten Situation zu begegnen. Womöglich fühlt man sich im ersten Moment einfach verlassen, allein und hilflos. Die seelische Situation lässt sich mit dem Trümmerhaufen nach einem Erdbeben vergleichen: Es gilt, die Verwüstung aufzuräumen und zu entscheiden, was noch brauchbar ist und was nicht. Der Krebsspezialist Gerd Nagel schreibt: "Ich musste mich wieder sortieren", als er an sich selber die Diagnose einer Leukämie gestellt hatte. Je nach Persönlichkeit geht man unterschiedlich mit einer solchen Situation um. Extrovertierte Menschen haben oft das Bedürfnis darüber zu sprechen. Sie besprechen die Fragen mit einer vertrauten Person aus der Familie, dem Freundeskreis oder sogar mit der Ärztin oder dem Arzt. Falls jedoch jemand lieber schweigt, ist das auch eine Art damit umzugehen: Man möchte seine aktuelle Zerbrechlichkeit weder nach aussen tragen noch in weitere Gefahr bringen. Gut gemeinte Ratschläge können dann sogar verletzen, weil sich die Person missverstanden fühlt.

Oft hilft es, sich in einem ersten Schritt Gedanken zur plötzlich veränderten Lebenssituation zu machen und sich zu fragen: Welche Fragen haben Priorität? Auf welche Umstellungen muss ich mich mittel- bis langfristig einstellen? Was betrifft vorwiegend mich, was betrifft unweigerlich auch mein Umfeld? Welche Aufgaben will und sollte ich selbst ins Auge fassen, bei welchen bin ich auf Hilfe von anderen angewiesen?

Warum Entlastung?

Auch wenn eine Diagnose im ersten Moment ein Schock ist, weil nun schwarz auf weiss feststeht, dass man krank ist, kann sie helfen, die Autonomie wieder zurückzuerlangen. Denn eine Diagnose bedeutet auch, dass man gemeinsam mit dem Arzt oder der Ärztin bestimmen kann, welche Therapien und Wege gewählt werden respektive welche Möglichkeiten es gibt, mit ihr möglichst gut zu leben. Dies ist der erste Schritt in eine neue selbstbestimmte Zukunft, weil nun ein Behandlungsziel feststeht. Patienten, aber auch Angehörige, empfinden diese Phase oft als Entlastung, weil nun der eigenständige Umgang mit der Krankheit beginnen kann und an die Stelle der Unsicherheit ein neues Gefühl von Klarheit rückt. Gemeinsam mit der Ärztin oder dem Arzt lässt sich prüfen, welche Zukunftsvorstellungen immer noch gültig sind, welche angepasst und von welchen Abschied genommen werden muss.

Angehörige und weitere Betroffene

Angehörige und Freunde erschrecken ebenfalls im ersten Moment bei einer schweren Diagnose und haben Angst um den geliebten Menschen. Auch sie sehen sich mit einer unerwarteten Situation konfrontiert und müssen sich neu orientieren. Sie durchleben Phasen der Unsicherheit, des Nicht-wahr-haben-Wollens sowie des Akzeptierens. Diese Phasen münden häufig in einen Reifeprozess, der schliesslich eine neue Ausgangslage und eine tiefere Beziehung zwischen den Angehörigen und den erkrankten Personen schaffen kann. Es geht um gegenseitige Unterstützung und Entlastung. Auch eine gute Information der Angehörigen ist oft entscheidend. Denn es gilt wichtige, im Raum stehende Fragen zusammen mit den Kranken anzugehen. Wichtig: Hilfsangebote bestehen auch für Angehörige und sollten bei Bedarf in Anspruch genommen werden. Denn man kann nur dann einem Kranken helfen, wenn man für sich einen guten Umgang mit der Situation gefunden hat.

Leitfaden für den Umgang mit belastenden Diagnosen
  1. sich der Herausforderung der Krankheit stellen
  2. sich auf eigene und fremde Ressourcen zur Krankheitsbewältigung besinnen
  3. persönliche Bedürfnisse berücksichtigen
  4. eigene Zielvorstellungen verfolgen
  5. Autonomie bewahren
  6. Verantwortung übernehmen auf dem Weg durch die Krankheit

Links zu Hilfsangeboten und Literaturhinweise finden Kranke und Angehörige auf der Website www.tagderkranken.ch in der Rubrik Services.

Liebe Urnerinnen und Urner, ich wünsche Ihnen allen von Herzen alles Gute und vor allem auch die Kraft und den Willen, mit belastenden Diagnosen umgehen zu können. Den Patientinnen und Patienten wünsche ich viel Zuversicht und vor allem, dass sie ihre Kraft, bald wieder gesund zu werden, nicht verlieren. Ich grüsse Sie alle herzlich.

Altdorf, im Februar 2015

Gesundheits-, Sozial- und Umweltdirektion
Barbara Bär, Regierungsrätin

Der "Tag der Kranken", der jeden ersten Sonntag im März begangen wird, sensibilisiert die Bevölkerung zu einem besonderen Thema aus dem Bereich Gesundheit und Krankheit. Er will dazu beitragen, gute Beziehungen zwischen Kranken und Gesunden zu fördern, Verständnis für die Bedürfnisse der Kranken zu schaffen und an die Pflichten der Gesunden gegenüber kranken Menschen zu erinnern. Zudem setzt er sich für die Anerkennung der Tätigkeiten all jener ein, die sich beruflich und privat für Patientinnen und Patienten engagieren.

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