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Missbrauchsfälle am Kollegium Karl Borromäus - Kanton Uri gibt umfassende Studie in Auftrag

2. Juli 2025

Im April 2025 sind Fälle von Übergriffen und Missbrauch am Kollegium Karl Borromäus (KKB) in Altdorf in den 1960er- und 1970er-Jahren publik geworden. Es handelt sich dabei sowohl um sexuelle Übergriffe als auch um exzessive Gewaltanwendungen. Das KKB wurde ab 1906 als Privatschule mit Internat von Benediktinerpatres des Klosters Mariastein geführt. 1978 wurde die Schule vom Kanton Uri übernommen. Gleichzeitig unterhielten die Mariannhiller Missionare in Altdorf eine eigene Schule mit Internat, das «St. Josef». Das Internat St. Josef wurde 1994 geschlossen.

Gemeinsames Vorgehen

Nun hat der Kanton Uri gemeinsam mit dem Benediktinerkloster Mariastein und den Mariannhiller Missionaren beim Historischen Seminar der Universität Zürich eine Studie in Auftrag gegeben, um Missbrauchsfälle und Übergriffe am KKB historisch aufzuarbeiten. Gleichzeitig soll auch die Schule St. Josef in die Aufarbeitung miteinbezogen werden. Die Studie wird den Auftraggebenden ein umfassendes Bild über die Vorgänge an den beiden Schulen und den Internaten in der Zeit zwischen 1906 und 1994 geben. «Das gemeinsame Vorgehen zeigt, dass alle beteiligten Institutionen eine offene und ehrliche Aufarbeitung wünschen», sagt Regierungsrat Georg Simmen, Bildungs- und Kulturdirektor des Kantons Uri. Die Ergebnisse der Studie sollen 2027 vorliegen.

Rolle des Kantons thematisieren

Die Studie wird unter Leitung von Prof. Dr. Monika Dommann und Prof. Dr. Marietta Meier entstehen. Sie zeichnen bereits für eine nationale Studie im Auftrag der Schweizer Bischofskonferenz und anderer kirchlicher Institutionen verantwortlich, die den sexuellen Missbrauch im Umfeld der katholischen Kirche in der Schweiz untersucht. «Das bestehende Projektteam verfügt über grosse Erfahrung mit Forschung in diesem Bereich und über ein breites Netzwerk sowie eine umfassende Kenntnis der für die Forschungen in Frage kommenden Archivlandschaft», betont Regierungsrat Georg Simmen. «Wir haben damit Gewähr, dass die Missbrauchsfälle nach bestem wissenschaftlichem Standard aufgearbeitet werden.» In der Studie soll auch die Rolle des Kantons Uri und seiner Behörden im Umgang mit den Missbrauchsfällen thematisiert werden, zumal der Kanton Uri die Aufsicht über die beiden privat geführten Schulen innehatte.

Das Benediktinerkloster Mariastein in Verantwortung

Mehr als siebzig Jahre haben Benediktinerpatres von Mariastein am Kollegium in Altdorf gewirkt. Die jetzige Klosterleitung ist sich der Tragweite der Ereignisse von damals bewusst, begrüsst darum den gemeinsamen Studienauftrag an die Universität Zürich ausdrücklich: «Wir schulden den Opfern – jedoch auch unserer eigenen Klostergeschichte – eine wissenschaftlich fundierte Aufklärung der Fälle und der Umstände», sagt Abt Ludwig Ziegerer.

Systematische Archivarbeit

Die Studie wird in zwei Etappen durchgeführt. Von Oktober 2025 bis März 2026 wird eine Vorstudie erarbeitet, in deren Rahmen ein Überblick über die Quellenlage gewonnen wird und von Übergriffen betroffene Personen gesucht und gegebenenfalls befragt werden. «Betroffene Personen werden dann erneut die Möglichkeit haben, sich bei der Universität Zürich zu melden», stellt Georg Simmen klar. Die Hauptstudie dauert von April 2026 bis Ende September 2027 und umfasst alle Arbeiten bis und mit Publikation und Bekanntmachung der Studie. Dabei werden die Archive des Klosters Mariastein und der Mariannhiller Missionare aufgearbeitet und gesichtet. Ergänzt werden die Erkenntnisse mit bereits vorhandenen Aussagen Betroffener und weiteren Aussagen, die ab Oktober 2025 gesammelt werden. «Dem Kanton Uri ist es wichtig, dass wir den Betroffenen eine Stimme geben und Unrecht benennen können», sagt Georg Simmen. «Die Studie wird uns die notwendigen Grundlagen dafür liefern.» Die Finanzierung der Studie wird durch die drei Auftraggeber sichergestellt. Der Urner Regierungsrat hat an seiner Sitzung vom 1. Juli im Sinn eines Kostendachs einen Kantonsanteil in der Höhe von 388'000 Franken aus dem Lotteriefonds gesprochen.

Bildungs- und Kulturdirektion

Rückfragen von Medienschaffenden: Georg Simmen, Regierungsrat; 041 875 20 55; georg.simmen@ur.ch / Ralph Aschwanden, Kinder- und Jugendbeauftragter, 041 875 20 96; ralph.aschwanden@ur.ch

 

Das ehemalige Kollegium Karl Borromäus. (Foto: Valentin Luthiger)
Das ehemalige Kollegium Karl Borromäus. (Foto: Valentin Luthiger)