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Neueste bauarchäologische Erkenntnisse zum ehemaligen Gasthaus Ochsen in Flüelen - bisher ältestes (datiertes) Holzhaus im Kanton Uri gefunden
Mit der Erschliessung des Gotthards für den Warenverkehr erhielt Flüelen um 1200 die Bedeutung einer Hauptstation auf der Gotthardroute. Die gleichzeitige Einrichtung einer Reichszollstätte deutet darauf hin, dass bereits damals eine beträchtliche Menge an Gütern in Flüelen umgeschlagen wurde. Aufgrund der Quellenlage ist anzunehmen, dass im 14. Jahrhundert eine stattliche Anzahl von Gaststätten vorhanden war wo die Händler und Transporteure übernachteten.
Der ehemalige Gasthof Ochsen dürfte eines dieser bedeutenden Gasthäuser gewesen sein. Bis anhin wurde aufgrund der Akten angenommen, dass er im 16. Jahrhundert erbaut worden ist. Nach dem Entfernen der modernen Wandverkleidungen sowie nach dem Freilegen der Kernbauten ergaben neuste bauarchäologische Erkenntnisse, gestützt durch eine dendrochronologische Analyse (Holzaltersbestimmung aufgrund der Jahrringe), dass das Gebäude Teile zweier Blockbauten birgt, welche im Jahre 1327, bzw. 1330 errichtet worden sind. Diese beiden Einzelbauten, die durch ihre ausserordentlich qualitätsvolle Zimmermannsarbeit überzeugen, waren um 1350 auf einem immensen, den heutigen Grundriss (15x21m) einnehmenden Balkenrost, zu einer stattlichen Gesamtanlage zusammengefügt worden. Heute würde man dies als «Hotelanlage» bezeichnen. Ein Anfang des 17. Jahrhundert erfolgter massiver Umbau gab dem Gebäude seine heutige stattliche Gestalt.
Beeindruckend ist vor allem der strassenseitig gelegene Saal im 1. Obergeschoss, in dem übrigens der Leichnam von Louis Favre, dem Erbauer des Gotthardtunnels, am 20. Juli 1879 aufgebahrt worden war. Nicht nur die immense Dimension des Saales mit einer Fläche von 6 x 9m und einer Raumhöhe von 2.6 m, sondern auch die immobile und mobile Ausgestaltung ist beeindruckend: Die massive Balken-Bohlendecke mit Scheibendekor ebenso wie die zahlreichen kolorierten Druckgraphiken. Gleichzeitig sind zahlreiche Zeugnisse der mittelalterlichen Volksfrömmigkeit, wie auch des mittelalterlichen Aberglaubens zutage getreten: Geisterbanndübel, ein in einen Schwundriss gelegter Angelhaken und verpflöckte Mensch- und Tierhaare sollten böse Geister oder unliebsame «arme Seelen» vom Haus fernhalten.
Die Untersuchungen zum Gebäude sind noch nicht abgeschlossen; derzeit werden diese in einen gesamtwissenschaftlichen Zusammenhang gestellt.
Zugehörige Objekte
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Flüelen, Dorfstrasse3, ehemaliges Gasthaus Ochsen. Süd- und Ostfassade. Foto Georg Sidler, Schwyz | Download | 0 | Flüelen, Dorfstrasse3, ehemaliges Gasthaus Ochsen. Süd- und Ostfassade. Foto Georg Sidler, Schwyz |
Flüelen, Dorfstrasse3, ehemaliges Gasthaus Ochsen. Nördlicher Blockbau, 1327d. Foto Georg Sidler, Schwyz | Download | 1 | Flüelen, Dorfstrasse3, ehemaliges Gasthaus Ochsen. Nördlicher Blockbau, 1327d. Foto Georg Sidler, Schwyz |
Flüelen, Dorfstrasse3, ehemaliges Gasthaus Ochsen. Blick gegen Südosten. In der Mitte Blockbau um 1330, darüber Riegel- und Dachwerk 1608d. Foto Georg Sidler, Schwyz | Download | 2 | Flüelen, Dorfstrasse3, ehemaliges Gasthaus Ochsen. Blick gegen Südosten. In der Mitte Blockbau um 1330, darüber Riegel- und Dachwerk 1608d. Foto Georg Sidler, Schwyz |
Flüelen, Dorfstrasse3, ehemaliges Gasthaus Ochsen. Westlicher Teil des grossen Saals mit Balken-Bohlen-Decke, Blick gegen Nordwesten. Foto Georg Sidler, Schwyz | Download | 3 | Flüelen, Dorfstrasse3, ehemaliges Gasthaus Ochsen. Westlicher Teil des grossen Saals mit Balken-Bohlen-Decke, Blick gegen Nordwesten. Foto Georg Sidler, Schwyz |
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